Sie zerstören jahrtausendealte Fundstätten und stehlen Unwiederbringliches. In Rodenbach bei Hanau plündern Unbekannte eine Ausgrabungsstätte.
Rodenbach – Während engagierte Archäologen versuchen, die Relikte unserer Vorfahren für die Menschheit zu erhalten und mehr über unsere Geschichte herausfinden wollen, gibt es auch solche, die diese Funde zum Eigennutz für sich beanspruchen. Was nach einem Indiana-Jones-Film klingt, ist im Baugebiet Südlich der Adolf-Reichwein-Straße tatsächlich geschehen.
Seit vier Wochen ist Dr. Elisabeth Faulstich-Schilling mit ihrem Team am 20 Hektar großen Baugebiet am Arbeiten. Die selbstständige Archäologin arbeitet mit dem hessischen Landesamt für Denkmalpflege, genauer mit der Abteilung Hessenarchäologie zusammen und untersucht das Neubaugebiet nach Relikten aus der Vergangenheit.
Das sei ein standardisiertes Vorgehen bei solchen Projekten, wie Bürgermeister Klaus Schejna (SPD) und Rolf Trollmann mit Evelyn Schade vom zuständigen Planungsbüro bei einem Treffen vor Ort erläutern. „Es gibt drei wichtige Dinge, die vor einer Erschließung geklärt werden müssen. Der Artenschutz, die Kampfmittelräumung und die Archäologie“, fasst Trollmann zusammen. Die ersten beiden Punkte sind bereits erledigt, aktuell geht es um die Archäologie. „Es ist spannend, was da gefunden wird, denn es legt ein Stück von der Geschichte unserer Gemeinde frei“, sagt Schejna.
Vandalismus und Diebstahl an der Fundstätte: Kriminelle gingen in Rodenbach bei Hanau systematisch vor
Umso verärgerter ist er – und auch die anderen Anwesenden – über das kriminelle Geschehen der letzten Wochen. „Beim zweiten Suchschnitt gab es Anomalien, die wir gekennzeichnet haben und daraufhin untersuchen wollten“, erzählt die Archäologin Faulstich-Schilling. Doch dazu kam es nicht mehr. In der Nacht zuvor waren Kriminelle vor Ort, zerstörten die Grabungsstätte mit allen Kennzeichnungen.
Auch die Funde waren entweder zerstört oder gestohlen. „Wir gehen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit davon aus, dass einer oder mehrere mit einer Metallsonde das Gebiet systematisch abgesucht hat und die Funde stahl“, sagt Faulstich-Schilling.
Vorchristliche Fundstücke sind verloren: Die Diebe schlugen mehrfach zu
Die Funde, so erläutert sie, seien aus der Bronzezeit. „Wahrscheinlich war hier eine bronzezeitliche Siedlung. Geborgen haben wir bisher Keramik mit Verzierungen von einem Gefäßstück sowie Leichenbrand, der auf die Bronzezeit hinweist.“ Entsprechend der Zeiteinordnung werde es auch metallische Gegenstände im Boden geben, ist sich die Archäologin sicher.
Doch es blieb nicht bei dem einen Mal. Auch ein zweites und drittes Mal schlugen die Täter zu und ließen ein Stück Geschichte verschwinden. „Abgesehen davon, dass wir unsere Grabungen nun in der Fläche ausweiten müssen und kleinere Schnitte machen müssen, was Zeit und Geld kostet, wiegt der kulturelle Schaden am schwersten“, sagt Faulstich-Schilling. „Das ist reine kriminelle Energie, die da frei wurde. Die sind systematisch vorgegangen. das ist kein Spaß mehr“, zeigt sich Schejna sichtlich erbost über die Tat. „Das ist wie ein Buch, was es nur einmal gibt und das verbrannt wurde.“
Archäologen in Rodenbach bei Hanau sind sich sicher: „Es müssen Profis gewesen sein“
Es gehöre zur Realisierung eines solchen Projektes dazu, mit allem offen umzugehen und transparent zu kommunizieren. Allerdings habe sich die Gemeinde in Absprache mit den Fachleuten dazu entschlossen, die archäologischen Ausgrabungen nicht öffentlich zu machen. Genau um solche Taten zu verhindern. Doch das hielt die Täter nicht ab.
„Es müssen Profis gewesen sein, die genau wussten, wonach sie suchen müssen“, ist Schilling-Faulstich überzeugt. „Archäologische Funde sind nicht leicht zu erkennen. Außerdem wurden auch Löcher neben den Grabungsstätten und in der Umgebung gebuddelt, was auf eine Suche mit einem Metalldetektor hinweist. Anscheinend gab es da Anomalien, daher die Löcher.“ Sowas habe die Archäologin bisher bei keiner ihrer Ausgrabungen erlebt. „Sondenjäger ja, aber in dieser wiederholten Form noch nie.“
Rodenbach bei Hanau: Räuber waren auch von 200 Kilogramm schweren Platten nicht aufzuhalten
Bereits nach der ersten Tat schaltete die Gemeinde die Polizei ein und erstattete Anzeige. Gemeinsam wurde überlegt, welche Maßnahmen ergriffen werden könnten, um weitere Diebstähle zu verhindern. „Wir entschieden uns für 200 Kilo schwere Stahlplatten, die wir auf die Ausgrabungen legten“, erläutert Schejna. Doch das hielt den oder die Täter nicht ab. Sie gruben einfach am Rand der Platte und zerstörten beziehungsweise stahlen das historische Material.
„Die Funde sind Eigentum des Landes Hessen“, stellt die Archäologin klar. Daher ist mittlerweile auch das Landeskriminalamt an dem Fall beteiligt. „Es handelt sich hier nicht um ein Kavaliersdelikt, sondern um Raubgräberei und das ist eine schwere Straftat“, unterstreicht Schejna.
Prämie für Hinweise: Die Gemeinde Rodenbach bei Hanau ist den Tätern auf der Spur
Zudem hat die Gemeinde beschlossen, demjenigen 500 Euro zu geben, der Hinweise zur Ergreifung von dem oder die Täter geben kann. Doch fast noch wichtiger ist es dem Bürgermeister, der Archäologin und dem Planungsteam, die Spaziergänger und Anwohner zu sensibilisieren, damit nicht noch mehr prähistorische Geschichte zerstört wird.
„Wer Fragen zu unserer Arbeit hat, kann uns jederzeit ansprechen“, betont Faulstich-Schilling. „Ich bin traurig, enttäuscht und ja, auch wütend über das, was hier passiert ist“, findet sie klare Worte, denen der Bürgermeister nur beipflichten kann. (Von Patricia Reich)
Quelle: op-online.de, https://www.op-online.de/region/main-kinzig-kreis/rodenbach/illegale-schatzsucher-zerstoeren-grabungen-in-rodenbach-91202322.html